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Pangea

Überlegungen zu einer Schrift, die Kulturen verbindet und zum Umweltschutz beiträgt.

Es gibt nicht zu viele geometrische Serifenlose, sondern zu wenige.

Ziemlich ähnlich: o’s aus elf der zur Zeit erfolgreichsten geometrischen Schriften.

Ja, sie sind sich ziemlich ähnlich: o’s aus elf der zur Zeit erfolgreichsten geometrischen Schriften.

Natürlich, seit längerer Zeit wachsen sie wie Pilze aus dem Boden, und wir sehen sie wohin wir uns auch drehen. Es gibt tatsächlich sehr viele Schriften, die auf dem kreisförmigen o basieren, und es gibt auch einige wirklich gute. Aber eins haben die meisten gemeinsam: Sie sind lateinisch, statisch, eindimensional und unterscheiden sich nur marginal.
Ich wollte keine weitere dieser Schriften gestalten.

Nicht aus dem alten Schriftmusterbuch

Pangea ist eine besondere Schrift für mich. Ich habe sie aus ganz verschiedenen Perspektiven gedacht und dabei neben Ästhetik und Typografie auch Technologie, Kultur und Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Ich hatte nicht vor, eine historische Schrift wiederzubeleben. Obwohl ich großen Respekt vor den vielen guten Revivals habe, wollte ich im Falle von Pangea versuchen, mich so weit wie möglich von direkten Einflüssen zu lösen. Was natürlich nicht heißt, dass es keine gab. Mehr als eine historische Schrift war jedoch eher ein Stil der Anlass der ersten Skizzen: die Ästhetik der eng gesetzten Groteskschriften der Mitte des 20. Jahrhunderts. Mich hat es gereizt, diese Kompaktheit auf eine schnörkellose geometrische Serifenlose zu übertragen.

Titel der Zeitschrift Neue Grafik von Josef Müller-Brockmann, 1958–1965

Titel der Zeitschrift Neue Grafik von Josef Müller-Brockmann, 1958–1965

Pangea Bold

Pangea Bold

Die x-Höhe habe ich relativ hoch gehalten, die Oberlängen entsprechen den Versalien, die Zurichtung ist eng und die Buchstaben sind kaum geöffnet – dadurch entsteht ein konsequent kompaktes Wortbild. Damit es nicht zu streng wirkt, sorgen diagonale Abschlüsse und runde Punkte für eine freundliche Erscheinung.

Formale Herleitung des a

Das a von Pangea ist für mich die logische Entwicklung des klassischen geometrischen Futura-a’s.

Eng! Kompakt! Aber auch leserlich.

Viele Schriften wirken etwas unentschlossen in ihrem Versuch, es allen recht zu machen; weder wollen sie im Textsatz zu eng stehen noch in Headlines auseinanderfallen. Um meinen ästhetischen Weg nicht verlassen zu müssen, blieben mir zwei Möglichkeiten: Entweder es würde eine Schrift werden, die im Mengensatz nicht funktioniert (nay), oder es müsste eine zusätzliche Textvariante geben (yay).

Optische Größen sind keine neue Idee – bevor der Fotosatz die Schriften stufenlos skalierbar machte, musste ohnehin jede Größe physisch hergestellt (und optimiert) werden. Trotzdem werden bis heute die wenigsten Schriften für verschiedene Lesegrößen angepasst – und Serifenlose noch seltener. Dabei kommt man kaum darum herum, wenn man eine Design-Idee kompromisslos verwirklichen möchte. (Zur Vertiefung sei Tim Ahrens’ vorzügliches Size-specific adjustments to type designs empfohlen)

Animation der Unterschiede zwischen Pangea und Pangea Text

Die Text-Schnitte von Pangea haben größere Öffnungen und laufen weiter. Ober- und Unterlängen sind ausgeprägter, und wo zwei Gerade in spitzem Winkel aufeinander treffen gibt es subtile Inktraps.

Pangea und Pangea Text im Vergleich

Pangea & Pangea Text im Vergleich

Maximal variabel

Nun bin ich aber nicht nur Schriftgestalter, sondern in erster Linie Font Engineer, und das Zusammenspiel von Design und Technologie interessiert mich besonders. Seit einigen Jahren gibt es Variable-Fonts, die es dem Nutzer möglich machen, bestimmte Eigenschaften einer Schrift stufenlos zu regeln. In den meisten Fällen begrenzt sich das bestehende Angebot auf Regler für Fettegrad, Weite und/oder Neigungswinkel – dabei kann das Format so viel mehr!
Pangea habe ich von Beginn an als Variable-Font konzipiert, denn auch davon gibt es im Bereich der Geometrischen noch viel zu wenige.

Vergleich Variable-Font - statische Fonts

Oben ein variabler Font (138kb), unten 10 statische (647kb).

Abseits der gewohnten Achsen (Fettegrad und Neigungswinkel; Weite ist in Arbeit) wird es interessant: Die Text-Schnitte sind im Variable-Font enthalten und können entsprechend den statischen Fonts auch bequem als Instanz angewählt werden. Deren zuvor beschriebene Eigenheiten habe ich allerdings auf verschiedene Achsen aufgeteilt, die es dem interessierten Nutzer ermöglichen, Öffnungen, Ober- und Unterlängen sowie Laufweite separat einzustellen.

Handgloves

Probiere Pangea als Variable-Font aus (Vielen Dank für die Regler, Roel!)

Für Geeks: Mit den Stylistic-Set-Achsen habe ich ein besonderes Konzept entwickelt. Werden alternative Formen (wie bei Pangea a, g und l) sonst nur über in UIs schwer erreichbare OpenType-Features gesteuert, habe ich sie hier zusätzlich als (An-/aus-)Achsen implementiert. Das ermöglicht nicht nur, in den Text-Instanzen das alternative g einzuschalten, sondern auch die Definition besonderer (als statische Fonts nicht existierende) Instanzen: Pangea Simple, wo die alternativen Formen den Charakter der Schrift komplett verändern.

Kulturen verbindend

„Pangea“ ist nicht allein ein schöner und visuell repräsentativer Name, er steht auch wie der Urkontinent für das Verbindende.
So haben mich – mehr noch als Ästhetik und Technologie – andere Aspekte besonders beschäftigt (wobei mir bewusst war, dass die weiterführenden Überlegungen müßig wären, wenn Pangea nicht auch in den vorangegangenen Punkten eigenständig wäre).
Wie erwähnt, gibt es nur zu viele Geometrische, wenn man sich im lateinischen Sprachraum bewegt – und selbst da hört die Sprachunterstützung hinter den Grenzen der wirtschaftsstärksten Länder schnell auf.

Elf der zur Zeit erfolgreichsten geometrischen Schriften und ihre (fehlende) Sprachunterstützung.

Elf der zur Zeit erfolgreichsten geometrischen Schriften und ihre (fehlende) Sprachunterstützung.

Pangea geht einen Schritt weiter: Schon seit Veröffentlichung werden abseits des gängigen lateinischen Zeichensatzes auch Vietnamesisch sowie Zeichen zur Transkription von z.B. Arabisch und Sanskrit unterstützt, außerdem Griechisch und ein erweitertes Kyrillisch, das auch oft ignorierte Sprachen wie Kirgisisch oder Baschkirisch beinhaltet.

Kulturell verbindend sollte Pangea schon bei der Entstehung sein. So wurde beim Design der mir weniger geläufigen Zeichen internationale Expert*innen konsultiert; für Griechisch Irene Vlachou (🇬🇷) & Kostas Bartsokas (🇬🇷), für Kyrillisch Ilya Ruderman (🇷🇺) und für Vietnamesisch Donny Trương (🇻🇳🇺🇸). Bei der Ausarbeitung der Schrift wurde ich von Tanya George (🇮🇳), Gergő Kókai (🇭🇺), Igino Marini (🇮🇹) und Gabriel Richter (🇩🇪) assistiert.

Ein besonderes Anliegen ist mir der weitere Ausbau des lateinischen Zeichensatzes zur Unterstützung indigener nordamerikanischer und afrikanischer Sprachen (Konsultation: Paul Hanslow 🇦🇺), der noch in diesem Jahr kostenlos zur Verfügung stehen wird.

Und wo Konsultation nicht ausreicht, werde ich versuchen, externe Hilfe einzubeziehen. Ich freue mich aktuell auf Arabisch von Azza Alameddine (🇱🇧) und zukünftige Ausbauten auf dem Weg zu maximaler Sprachunterstützung.

Im Einklang mit der Natur

Der letzte Aspekt ist die Nachhaltigkeit. Viele Menschen möchten wissen, wem oder was das Geld zugute kommt, das sie ausgeben. Profitieren davon Menschen oder Organisationen, die im Gegensatz zur eigenen Haltung stehen?
Da ich mir diese Frage selbst oft stelle, möchte ich mit meiner Schrift eine klare Antwort geben. Pangea soll sowohl möglichst vielseitig in den Nutzungsmöglichkeiten sein als auch dauerhaft helfen.
25% meiner Royaltys gehen deshalb zeitlich unbegrenzt an drei internationale Organisationen, die nachhaltig und im Einklang mit der lokalen Bevölkerung den Regenwald wieder aufforsten: Green Belt Movement, Trees for the Future & Fairventures – und im Januar konnte ich bereits die ersten Spenden überweisen.


Die Arbeit an Pangea habe ich 2016 begonnen, und wie bei jedem guten Projekt, das sich einer langjährigen Entwicklungszeit rühmt, gab es zwischendurch einige Phasen der Inaktivität. Ein gutes Zuhause gefunden hat sie letztendlich 2020 bei Fontwerk, wo Ivo den alten FontFont-Spirit wiederbelebt und Type-Designern alles Lästige abnimmt.

→ Pangea hier kostenlos ausprobieren und lizenzieren


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Hallo! I’m Christoph Koeberlin; Type Designer & Font Engineer from Berlin, Europe. I design retail typefaces (like Pangea, Fabrikat & FF Mark), and custom typefaces (like for Mercedes-Benz, Liebherr & Mainz 05). For more than 10 years I’ve been assisting type foundries (like Swiss Typefaces, Grilli Type, FontFont and HVD Fonts) with mastering, QA, hinting & trouble shooting (for clients like Ebay, Lufthansa & Volkswagen). I founded sportsfonts.com & Typefacts. I look forward to your mail: christophkoe.berlin. You can also meet me on LinkedIn & Twitter. I’m not on Facebook or Instagram, I don’t buy at Amazon, and I don’t use Google. All of my work is done with renewable energy. This beautiful typeface is Bery Script by Fred Smeijers.